Gourmet Restaurant Homanns (Daniel & Horst Homann) - Samnaun

Samnaun verbindet man im Allgemeinen nicht als erstes mit Fine Dining. Die Gemeinde am östlichen Nordrand des Kantons Graubünden ist vor allem als Zollfrei-Enklave und Skigebiet bekannt. Dass sich im nicht mal von 1'000 Einwohnern bewohnten Bergdorf eines der höchstdekorierten Restaurants der Schweiz befindet, dürfte den wenigsten bekannt sein. Die Brüder Daniel und Horst Homann betreiben im familieneigenen Hotel neben dem Halbpensionsrestaurant auch das Gourmetrestaurant Homanns. Das Essen in dieser kleinen Stube ist dem Michelin zwei Macarons wert, dem Gault&Millau 18 Punkte. Als ich nach einer relativ abenteuerlichen Anfahrt an einem eiskalten Winterabend endlich hier am Tisch sitze, weiss ich so gut wie gar nichts über die Küche der Homanns. Eigentlich meine favorisierte Ausgangslange für einen Restaurantbesuch. Deshalb begebe ich mich in die Hände der Brüder, ohne einen Blick in die Karte zu werfen, und entscheide mich für das grosse Überraschungsmenü. Kurz darauf werden schon einige Amuse-Bouches aufgetischt.

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Wobei einige ein wenig untertrieben ist. Es sind: Geräucherter Heilbutt Burger mit Avocado - Kalbstatar im Brotmantel mit Crème Double - Rose gebratener Tafelspitz mit Brotmousse und Kernöl - Cremiges Eis von der Gänseleber mit Rosmarin-Zwetschgenkonfitüre sowie ein Mini Cordon-Bleu. Spannend ist hier vor allem der Heilbutt Burger mit seinem luftigen Brötchen und der cremig-würzigen Avocado zum Fisch. Nicht gerade spannend, aber handwerklich perfekt zubereitet ist das Cordon Bleu. Auch die weiteren Kleinigkeiten überzeugen. Ein gelungener Auftakt.

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Wie beim Auftakt wird auch bei der Brotauswahl auf Quantität gesetzt. Glückerweise ohne dass die Qualität darunter leidet.

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Ein letzter Gruss aus der Küche folgt: Geräucherter Forellenschaum mit gebeiztem Seesaibling, Osietra- und Wasabikaviar und Brotcrumbles. Das Zusammenspiel der einzelnen Elemente ist beeindruckend. Hier greift wirklich ein Rädchen ins andere und man hat bei jedem noch so kleinen Bissen das Gefühl, dass jede Komponente genauso genau hier sein muss, damit das Gericht so fantastisch schmeckt.

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Das 60 Minuten Eigelb auf Sepia-Tagliatelle und Schinken-Espuma mit Madeiraschaum bringt alle Attribute mit, die man sich von einem solchen Gericht wünscht. Und noch ein bisschen mehr. Die Sepiatagliatelle erweisen sich als clevere Erweiterung des üblichen kräftig-schlotzig-süsslichen Stundeneispektrums. Durch die dezent salzige Meeresfrische wird die Geschmackswelt einerseits gekonnt erweitert, andererseits bringen die "Nudeln" etwas texturelle Abwechslung ins Spiel. Clever und sehr lecker.

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Kaisergranat mit Karotte ist natürlich keine neue Kombination, doch eine, die sich momentan grosser Beliebtheit zu erfreuen scheint (hier oder hier zum Beispiel). Diese Version ist relativ puristisch gehalten, indem der Langoustine lediglich eine Deklination der Karotte und eine schaumige Nage entgegengesetzt wird. Das ist alles tadellos zubereitet und gefällig, jedoch fehlt hier die Spannung ein wenig - sei es in Form eines zusätzlichen Würzelements oder Röstnoten vom Edelkrebs beispielsweise.

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Richtig winterlich wird's beim folgenden Gang. Der Skrei auf Kohlrabi-Trüffelragout mit Trüffelcrème und Trüffelschaum überrascht mit der doch eher deftigen Einfassung für den aromatisch braven Winterkabeljau. Dank der fein austarierten Aromen und der gelungenen Portionierung der einzelnen Komponenten kann sich auch der Fisch in diesem Ensemble immer wieder sensorisch hervortun. Insgesamt ist das ein bemerkenswert ausgewogenes Ensemble, das gekonnt zwischen der Intensität der Trüffeln, den knackig-frischen Kohlrabiwürfeln und dem fleischigen Meeresbewohner changiert.

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Wo bei den vorherigen Gängen fein abgestimmte Proportionen für wohliges Vergnügen sorgten, harkt die gebratene Perlhuhnbrust mit Brombeerjus und Pastinake. Die Geschmackskombination funktioniert per se nicht schlecht und ist durchaus interessant, wenngleich der Gesamteindruck etwas zu sehr ins süssliche zu kippen droht. Dass dem so ist liegt einerseits an der für sich genommenen bereits süssen Pastinake und am süsslich abgeschmeckten Jus, andererseits jedoch auch am völlig unterportionierten Geflügel. Dieser kleinen Brustscheibe, die merklich zu lange gegart wurde, würde ein Klecks der Jus und zwei Punkte des Pastinakenpürées vollkommen als Einfassung ausreichen. Obwohl ich die Brust aufgegessen habe, wandert so ein fast voller Teller zurück in die Küche. Schade.

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Zum Hauptgang wird's mit Rindsfilet auf La Ratte Kartoffelschaum, Schalottenjus, Petersilienpürée und Gänseleber ganz klassisch. Hier gibt es nun wirklich gar nichts auszusetzen. Fleisch wie Leber sind perfekt gebraten. Da die Kartoffeln als Schaum auf dem Teller landen, ist auch von einer diesem Gericht ansonsten anhaftenden Schwere gar nichts zu spüren. Auch der Schalottenjus vermeidet sie süsse Klebrigkeit, die dieser Sauce oft innewohnt. Kurzum: das ist klassische Küche in Perfektion. Die Neuerfindung des Rads ist dieses Gericht logischerweise nicht, aber wenn es so gut schmeckt, muss es das auch nicht sein. Ausgezeichnet.

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Zitronen-Yuzu Tarte mit Passionsfruchtcrème, Yuzu-Gelée und Sauerrahmeis sorgt nun für etwas gustatorische Auflockerung. Die vielen sauren Komponenten harmonieren prächtig miteinander, ohne dass der obligate Dessertzucker zu kurz kommen oder gar komplett überlagert werden würde. Genau das Richtige nach einem substantiellen Menü und ein gelungener Übergang in den süssen Teil des Abends.

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Die wiedergewonnene Papillenfrische will genutzt werden, darum geht's gleich weiter mit Dessert Nummer zwei. Der Wiener Apfelstrufel 0.17 ist eine dekonstruierte Version des österreichischen Süssspeisenklassikers, die auf ganzer Linie punktet. Die angenehme Kühle des Glacés gepaart mit dem zum dünnen Knusper verarbeiteten Teig und der Fruchtsüsse der Äpfel ist ganz fantastisch. Und obwohl sich die kurz verflogene Sättigung schnell wieder zurückmeldet, esse ich brav alles auf.

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Die Petits Fours im Detail: Früchteminestrone mit Bananen-Joghurt-Eis, Apfel-Tonkabohne-Shot, Milchreisschaum mit Erdbeersorbet und Haselnüssen, Linzerschnitte und Schokoladenbrownie mit Sesam, Mini-Schwarzwälderkirschtorte, Blutorangen- und Kirschfruchtgummi, Kokoseislolli mit weisser Ivoire-Schokolade, Marshmallow aus Kalamansi, Brombeere und Erdbeere, verschiedene Kekse und Sablés, Pralinen: Kaffee-Sternanis, Rosmarin, Kokos-Zitronengras, Olivenöl-Karamell, Erdnuss, Stanitzel mit Himbeersorbet, Lollies aus Holunder und Eukalyptus sowie Zuckerwatte. Das dürfte eine der grössten Armadas an süssen Kleinigkeiten sein, die mir jemals vorgesetzt wurde. Ich probiere mich ein bisschen durch alles durch und kann abschliessend sagen, dass die Patisserie hier sehr, sehr ernst genommen wird und grösstenteils auch ausgezeichnet mundet.

Die Brüder Homann überzeugen mit einer Küche, die klar in der Klassik fusst, jedoch auch vor modernen Elementen und Techniken nicht zurückschreckt. Insgesamt war das ein sehr schmackhaftes Mahl, mit keinen nennenswerten Ausreissern nach oben oder nach unten (die Perlhuhnbrust ausgenommen). Hier liegt gleichzeitig auch ein wenig das Problem: es fehlt an Spannung. Die Kombinationen sind altbekannt, die Produkte gut, das Handwerk tadellos. Mehr aber eben auch nicht. Ob man dafür zwei Sterne oder 18 Punkte verteilen muss? Ich wage es zu bezweifeln. Auf der anderen Seite habe ich aus objektiver Sicht auch gar nichts auszusetzen am heutigen Essen. Ein ambivalentes Gefühl, das wohl eher auf die Erwartungen zurückzuführen ist, die die beiden Guides mit ihren Bewertungen schüren, als mit der tadellosen Küchenleistung des Teams. Wer also in der Nähe ist und ganz einfach auf gehobenem Niveau gut essen möchte, der ist bei den Brüdern Homann genau richtig.


Gourmetrestaurant Homanns
7563 Samnaun-Ravaisch
Schweiz
+41 (0)81 861 91 91
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