Ecco (Stefan Heilemann) - Zürich

Endlich zurück im Ecco. Das Restaurant von Executive Chef Stefan Heilemann bescherte mir im Dezember des letzten Jahres den wohl unerwartetsten Hochgenuss 2015. In der Woche der Eröffnung wurde mir ein Menü auf beängstigend hohem Niveau serviert (den Bericht dazu gibt es hier). Tolle Produktqualität paarten sich mit beeindruckendem Handwerk. Das Ecco sicherte sich zum Jahresabschluss meine Wahl zur besten Neueröffnung der Schweiz, noch vor solch illustren Restaurants wie beispielsweise dem Igniv by Andreas Caminada.
Nach einem knappen halben Jahr kehre ich nun zurück ins Atlantis by Giardino, welches das Ecco beheimatet. Selten war ich so gespannt auf einen zweiten Besuch in einem Restaurant. Wurde ich beim ersten Mal nur positiv überrascht, weil ich so gut wie keine Erwartungen hatte? Sind die Saucen von Stefan Heilemann immer noch so gut, wie ich sie in Erinnerung habe? Zaubert Sommelier Stefano Petta wieder eine in Teilen herrlich unkonventionelle Weinbegleitung ins Glas? All das werde ich gleich rausfinden. Ich werde heute von der Küche überrascht und verzichte auf den obligaten Blick ins Menü, um mir die Vorfreude aus das Kommende nicht zu nehmen.

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Jakobsmuschel, Gurke, Leinsamen
Los geht's mit einem Gruss aus der Küche. Schon beim ersten Bissen werde ich daran erinnert, warum mich Stefan Heilemann's Küche so begeistert hat. Die qualitativ ausserordentlich gute Jakobsmuschel kommt einmal als leicht geflämmte Scheibe sowie als Tartar und auch noch als Créme. Hervorragend begleitet wird die Muschel durch diverse Gurkenzubereitungen, die für eine leicht erdige Frische sorgen. Der eigentliche Clou an diesem Happen ist jedoch der Leinsamenchip, der mit seinem nussigen und leicht toastigen Aroma ein ohnehin schon wunderbares Geschmacksbild um eine geniale Note erweitert. Ein superber Start.

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Malzbrot & Butter
Das Brot ist mir noch von meinem letzten Besuch in bester Erinnerung. Luftig, mit delikater Kruste und ausgeprägtem Malzaroma. Vor allem in Kombination mit der geräucherten Butter ein himmlisches Vergnügen. Ich muss mich zurückhalten, um nicht das ganze Brot zu verspeisen. Die Vernunft siegt schlussendlich. Schliesslich hat das Menü noch nicht mal angefangen.

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Entenhautchip, Entenrillette, Randen
Nun folgt eine Trilogie von Amuse Bouches, die gleichzeitig aufgetragen werden. Zuerst widme ich mich dem Ententaco. Der Taco besteht nicht aus Mais sondern aus getrockneter Entenhaut. Clever. Gefüllt ist der Chip mit einer Rillette bestehend aus Entenkeule und Innereiencrème. Dazu gesellen sich ein Randengel sowie gepickelte Randen. Die Rillette hat durch die Anreicherung mit der Innereiencrème einen ordentlichen Wumms. Die knusprige Entenhaut sorgt für texturelle Abwechslung. Das fettige Vergnügen wird durch die eingelegten Randen ein bisschen die Schwere genommen und angenehm süss-sauer eingefasst. Sehr gelungen.

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Spitzkohl, Frischkäse, schwarzer Trüffel
Ein Zylinder aus Brot ist gefüllt mit einer intensiv duftenden Mischung aus Spitzkohl, Frischkäse und Trüffeln. Das erinnert in seiner delikaten Machart ein bisschen an die berühmten Apéroröllchen von Sven Elverfeld. Und genauso wie Elverfeld versteht es Heilemann auf nur wenigen Kubikzentimetern ein Fest für die Sinne zu veranstalten. Knusprig, crèmig, erdig, frisch. Beachtlich auch wie die Trüffeln trotz grosszügiger Portionierung nicht die alleinige erste Geige spielen. Man schmeckt jedes Element und alle Elemente ergeben ein wundervolles Ganzes. Grossartig.

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Thunfisch, Kräuter, Mandel
Das letzte Amuse aus der Trilogie fällt geschmacklich etwas filigraner aus. Der leicht gebeizte Bauch vom Thunfisch wird begleitet durch eine erfrischende Kräutercrème sowie einer Ajo-Blanco-Vinaigrette und Mandelstücken. Wie präzise die Feinjustierung der einzelnen Komponenten ist, wird in diesem Schälchen sehr deutlich. Trotz weniger Elemente bieten sich dem geneigten Fresser viele Möglichkeiten zur Erkundung der Aromen. Mal stösst man dabei auf eine leicht rauchige Note (geräucherte Mandel), mal auf Kräuterfrische, dann auf ein tiefes Mandelmeer. So darf es gerne weitergehen.

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Wolfsbarsch, Auster, Blumenkohl
Bevor ich ins eigentlich Menü einsteige, serviert die Küche noch einen letzten kleinen Spassmacher. Deutlich leiser als zuvor geht es auf diesem Teller zu, doch nicht minder gut. Das Zusammenspiel der einzelnen Zutaten funktioniert perfekt. Die pochierte Auster fungiert gleichzeitig als Würzung für den Loup und steuert ein zusätzliches Texturelement bei, das dem Teller gut zu Gesicht steht. Durch den eingelegten Blumenkohl findet sich auch eine feine Säure im Gericht, sowie etwas schlotziges durch die Crème. Ein gelungener Abschluss des Vorspeisenreigens, der pure Harmonie verströmt.

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Marinierte Entenleber, Sardine, Bohne
Das grosse Menü beginnt im Ecco klassisch mit einer Foie Gras Kreation. Diese Kreation ist jedoch alles andere als klassisch. Im Gegenteil, sie ist sogar ziemlich gewagt. Die Kombination von der Fettleber mit den ebenfalls fettigen, eingelegten Sardinen erfordert eine gehörige Portion Mut. Ich bin gespannt. Der erste Bissen ist ungewöhnlich. Es dauert einen Moment, bis diese so gegensätzlichen Zutaten in Mund und Gaumen so richtig verschmelzen. Doch als das geschieht, wird ein gustatorisches Feuerwerk entbrannt. Reichhaltig die Leber, säurebetont der Fisch, erdig-grün die Bohnen. Sehr Interessant ist es die verschiedenen Zubereitungsarten der Leber (Terrine, Crème & Eis) mit der Sardine zu kombinieren und so mit jedem Bissen in eine komplett andere Geschmackswelt einzutauchen. Zu jeder Zeit zusammengehalten wird das Gericht von einem genialen Bohnensud. Als i-Tüpfelchen gibt's für den Crunch wahlweise à part gereichtes Brioche oder frittierte Babysardinen. Ganz grosses Kino. An dieser Stelle muss auch Sommelier Stefano Petta ein zweites Mal Erwähnung finden. Er begleitet den Menüauftakt kongenial mit einem Jahrgangscidre namens "La Transparente" von der Cidrerie du Vulcain aus dem Kanton Fribourg. Überraschend und umwerfend gut.

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Rote Riesengarnele, Grüner Spargel, Kalamansi
Weiter geht's mit einem imposanten Carabinero. Begleitet wird die wirklich riesige Riesengarnele von diversen Spargelpräparationen (u.a. ein Ragout sowie eine hervorragende Crème) und von einer fruchtig-herben Kalamansicrème. Die kleinen Zitrusfrüchte stammen übrigens aus dem Thurgau. Wer hätte das gedacht? Ein tolles Ensemble, welches durch ein gelungenes Säurespiel viel Frische verströmt. Der eigentliche Star auf dem Teller ist aber keine der drei Hauptzutaten, sondern die am Tisch angegossene Krustentierbisque. Das Wort "tief" muss für diese Bisque erfunden worden sein. Den Duft vom Meer in der Nase, den azurblauen Himmel vor den Augen, halte ich unbemerkt kurz inne, um dieses Elixir für immer in meinem Bewusstsein zu verankern. Wow.
In einem zweiten Schälchen wird ein Cracker aus Alge gereicht. Dieser ist mit Crèmetupfern aus Carabinero und Kalamansi sowie Affilakresse verfeinert und zeigt dasselbe Geschmacksbild wie auf dem Hauptteller, jedoch in einem anderen Gewand. Klasse.

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Frühlingsgemüse, Meerrettich, Escabechesud
Auf den ersten vegetarischen Gang im Ecco bin ich bereits beim Lesen äusserst gespannt. Gerade auf meiner ausgedehnten Skandinavienreise, von der ich einige Wochen vor meinem Besuch bei Stefan Heilemann zurückgekehrt bin, wurde mir mal wieder aufgezeigt, wie interessant und abwechslungsreich reine Gemüsegerichte sein können. Der erste Eindruck dieses Tellers wird von der Tomate dominiert. Das Gemüse hat ein kleines bisschen Mühe, dem fruchtig-herben Tomatenkompott stand zu halten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gerichten heute Abend, überzeugt dieses Mal nicht bereits jedes einzelne Element, sondern vor allem das grosse Ganze. Und dieses wird, wie könnte es anders sein, von einem sensationellen Sud zusammengebracht. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, was die Küche im Ecco in Sachen flüssigem Gold in die Schalen, Teller und Gläser bringt, ist einfach umwerfend. Man muss lange, lange suchen, um so etwas zu finden.

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Atlantik Rotbarbe, Fenchel, Kaffee
Bereits bei meinem letzten Besuch servierte die Küche ein wunderbares Rotbarbengericht. Rückblickend war das wohl mein favorisierter Gang des Menüs. Umso gespannter bin ich natürlich auf den heutigen Teller. Gegenüber den bisherigen Gängen ist diesem Teller eine deutliche Verschiebung des Geschmacksbildes anzumerken. Bisher dominierten vor allem Leichtigkeit und Frische. Dass es langsam auf den Hauptgang zugeht merkt man jetzt unter anderem am intensiven Sud bestehend aus Stockfisch und Kaffeeöl. Die Lautstärke ist jetzt auf 12 gedreht, ohne dabei die Raffinesse vermissen zu lassen. Und wer es schafft, so unterschiedliche Produkte wie Rotbarbe, Kaffe und Fenchel unter einen Hut zu bringen und es dabei so gut schmecken zu lassen, dem gebührt ein kleiner, imaginärer Zwischenapplaus.

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Bresse Perlhuhn, Haselnuss, Kohlrabi
Der eingeschlagene Weg wird beim jetzigen Gang konsequent fortgesetzt. Die Perlhuhnbrust in einer Haselnusskruste ist perfekt gegart, hat noch einen leichten Biss. Durch die abermals herausragende Qualität punktet das Geflügel bereits für sich. Die Begleiter werden natürlich trotzdem nicht vernachlässigt. Die Kombination mit dem erdig-süsslichen Kohlrabi und den Haselnüssen funktioniert wunderbar. Doch der eigentlich Star ist auch hier wieder die phänomenale Sauce. Dieser flüssige Traum ist einfach zum Tellerablecken gut. Ich glaube, man könnte mich den ganzen Abend von einem Kännchen dieses Elixirs schlürfen lassen und ich wäre wunschlos glücklich. Atemberaubend.

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Japanisches Wagyu Rind, Zwiebel, Rindermark
Zum Abschluss des salzigen Teils des Abends wird es nochmal richtig luxuriös. Die beiden Stücke des japanischen Rinds strotzen nur so von Geschmack. Wagyu in dieser Qualität habe ich bis jetzt in der Schweiz noch nicht serviert bekommen. Ein absoluter Hochgenuss. Doch nicht nur das japanische Rind sorgt für Freude. Die Zwiebeln sind ebenfalls sehr präsent und keineswegs nur langweiliges Beiwerk. Mit dem Fett des Fleisches sowie dem wunderbar cremigen Mark ergibt sich ein tolle Mischung aus Luxus und Bodenständigkeit, fett und süss. Ein Hauptgang, der seinen Namen verdient und richtig Eindruck hinterlässt. Stefan Heilemann und sein Team haben die wundervolle Gabe, durch Reduktion zu überzeugen. Das zeugt von grossem Können und auch einem gesunden Selbstbewusstsein. Weniger ist wie so oft mehr. Beeindruckend.

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Grüner Apfel, Schafsjoghurt, Dill
Den Einstieg in die süsse Welt des Ecco macht das vielleicht beste nicht-süsse Dessert, dass ich jemals gegessen habe. Ich muss mich beherrschen, um nach dem ersten Bissen nicht die Kinnlade auf den Tisch fallen zu lassen. Die Süsse ist präsent, jedoch nicht im Vordergrund. Dazu gesellt sich eine tolle Säurenote, die für Frische auf dem Teller sorgt und auch die Papillen wieder so richtig aufweckt und auf  die restlichen Gänge vorbereitet. Abgerundet wird das Ganze durch den nie aufdringlich oder aufgesetzt wirkenden Dill, der dem Gericht zu zusätzlicher Komplexität verhilft. Wie wichtig die Details gerade bei so einem ungewöhnlichen Dessert sind, zeigt die Wahl des Schafsjoghurts gegenüber einem herkömmlichen Joghurt. Diese Entscheidung verhilft dieser gar nicht so süssen Süssspeise zu höchsten Weihen. Genial.

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Rhabarber, Karamell, Brioche
Nach so einem Weltklasse-Gang hat es der darauf folgende Teller natürlich schwer. Ganz unabhängig davon, ist das Hauptdessert meines Menüs der einzige Gang des Abends, der nicht überzeugen kann. Trotz zahlreicher Versuche, mir einen passenden Löffel zusammenzustellen, will es einfach nicht gelingen. Die Harmonie fehlt. Es ist einerseits zu süss durch den Karamell sowie die Brioche, andererseits zu sauer durch den Rhabarber und funktioniert darum für mich nicht. Schade, aber nach all der bisherigen Grossartigkeit kein Beinbruch.

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Hublot Big Bang Kakaobohne & Orange
Nun folgt der erste Teil der Friandises. Ein hübsch präsentiertes Ensemble aus Schokolade, Orange und Joghurt. Diese simple Kombination macht richtig Freude und fordert den Esser nach einem langen Menü nicht mehr über alle Massen. Schokoladig, fruchtig, eine dezente Säure, nicht zu schwer. Was könnte man sich zu diesem Zeitpunkt anderes wünschen? Ideal.

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Friandises
Den endültigen Abschluss macht eine Tetralogie bestehend aus: Pistazie - Sanddorn, Karamellisierte Milchhaut - Tonkabohne - Passionsfrucht, Honig - Ingwer - Yuzu, Müsli - Johannisbeere - Hafer. Allesamt hochfein gearbeitet und noch ausgeklügelter als bei meinem ersten Besuch. Jede dieser Petitessen wartet mit einer äusserst angenehmen und erfrischenden Säurenote auf, die genau richtig kommt, um die müden Papillen auf einem Hoch in den Feierabend zu entlassen. Ein krönendes Highlight eines wunderbaren Abends.

Im Ecco wird alles vereint was grosse Küche ausmacht. Hochwertigste Produkte, beeindruckendes Handwerk, präzise Kompositionen. Alles ist auf den Wohlgeschmack ausgerichtet. Dabei versteht es die Küche durchaus auch mal zu überraschen (zum Beispiel bei der Entenleber mit Sardine und Bohne) und setzt nicht nur auf altbewährte Kombinationen. Was die Küche von Heilemann zusätzlich von anderen abhebt, sind die Saucen. Ich kenne in der Schweiz niemanden sonst, der es schafft, jeden einzelnen Gang mit einem jeweils so berauschenden Elixir aufzuwerten. Dass zu jedem Gericht ein Löffel gereicht wird, sagt diesbezüglich eigentlich alles.
Ein besonderes Lob gebührt an dieser Stelle auch Sommelier und Restaurantleiter Stefano Petta, der sich mit seiner Weinbegleitung auch mal ein bisschen aus dem Fenster lehnt und so immer wieder gross auftrumpft. Auch der Service trägt mit seiner unkomplizierten und fröhlichen Art einen nicht unerherblichen Teil zu einem tollen Erlebnis bei.
Das Ecco hat sich seit meinem letzten Besuch vor 6 Monaten nochmals merklich weiterentwickelt und ist für mich eine der absoluten Topadressen. Nicht nur in der Stadt Zürich, sondern in der gesamten Schweiz. Ich freue mich bereits auf den nächsten Besuch, auf den ich mit Sicherheit nicht mehr so lange warten werde.


Ecco Zürich
Döltschiweg 234
8055 Zürich
+41 (0)44 456 55 33
Website


Mein Besuch wurde vom Restaurant unterstützt.