Au Pavillon (Laurent Eperon) - Zürich

Das Hotel Baur au Lac in Zürich ist weit über die eidgenössischen Landesgrenzen hinaus eine Institution was mondänen Luxus betrifft. Da darf ein ausgezeichnetes Restaurant im Hotelportfolio natürlich nicht fehlen. Diese Aufgabe übernimmt im Baur au Lac das einfach besternte Au Pavillon. Chefkoch Laurent Eperon startete 1999 als Commis de Cuisine im Au Pavillon und arbeitete sich über verschiedene Stationen hoch zum Chefkoch. Diesen Posten bekleidet er mittlerweile seit 2009. In seiner Zeit im Baur au Lac kochte er unter anderem mit einem gewissen Daniel Humm zusammen, der mittlerweile bekanntlich Herr über ein kleines Gastroimperium in den USA ist, zu dem unter anderem auch das dreifach besternte Eleven Madison Park gehört.
Als ich mich an diesem kalten Mittag (es ist tiefster Winter) im Au Pavillon einfinde, fühle ich mich sofort wohl und gut umsorgt. Ich war zwar bereits einmal hier, jedoch nicht um die Küche von Laurent Eperon zu probieren, sondern um Daniel Humm's Homecoming zu feiern. Höchste Zeit also, das letzte noch verbliebene besternte Lokal in Zürich zu besuchen, in das ich bisher noch nicht eingekehrt bin. Diese Liste zu komplettieren, ist ein netter Nebeneffekt dieses Lunchs.
Als ich mich bei einem Glas Champagner der Speisekarte widme, bin ich etwas erstaunt, dass ich darauf das grosse Menü nicht finde. Ist bei der Mittagsklientel dieser Tage wohl nicht sehr gefragt. Ich weise den Maitre d' auf meinen Wunsch hin und nach kurzer Rücksprache mit der Küche serviert man mit gerne auch jetzt das "Menu Harmonie". Sehr schön, wenn auf die Wünsche des Gastes so eingegangen wird.

Gougères, Kümmelbrotcracker
Den kulinarischen Einstieg machen ausgezeichnete, fluffige und aromatische Gougères sowie etwas knuspriges Kümmelbrot. Beide Kleinigkeiten sind hervorragend.

Kartoffelsalat, Senfkerne, Blutwurst, Petersilie, Trüffel
Als Amuse Bouche serviert die Küche ein Gericht mit hohem Wohlfühlfaktor. Kartoffelsalat in einem besternten Restaurant? Wenn er so schmeckt wie hier, dann auf jeden Fall! Ein Teller, an den man sich richtig anschmiegen kann. Dass die Kartoffeln perfekt gegart sind, versteht sich von selbst. Die Senfkörner verleihen dem Gericht einen kleinen Punch. Durch die Blutwurst kommt eine ungeahnte Tiefe sowie eine leicht ätherische Note ins Spiel. Abgerundet wird das Ganze durch die erfrischend-grüne Petersilie und die erdig-luxuriösen Trüffeln, die dem bescheidenen Kartoffelsalat zu höheren Weihen verhelfen. Sehr lecker.

Noix de Coquilles Saint-Jacques - Gebratene Jakobsmuscheln und Tartar von der Jakobsmuschel, Schwarzer Trüffel
Das Menü startet mit zwei Zubereitungen von der Jakobsmuschel. Die gebratene Muschel wird auf einem Blumekohl-Trüffel-Pürée serviert. Diese klassische Kombination macht richtig Freude. Der Dreiklang aus maritimer Frische, erdig-süssem Kohl und dem nach feuchtem Waldboden duftenden Edelpilz könnte nicht besser funktionieren. Der Teller geht blitzblank in die Küche zurück. Das sagt eigentlich alles. À part wird ein Tartar der Kammmuschel gereicht, verfeinert mit Trüffeln, Tapiokaperlen und Kerbel. Die Harmonie des Haupttellers widerspiegelt sich auch hier schon beim ersten Bissen. Doch das Geschmacksspektrum verschiebt sich signifikant. Wo vorher Süffigkeit an vorderster Stelle stand, ist es nun eine kühle Eleganz. Eine interessante Interpretation des Themas Jakobsmuscheln mit Trüffeln, das in erster Linie durch tollte Produkte überzeugt, aber auch durch die feine Würze des Kerbels. Die Tapiokaperlen hätte es trotz des netten Texturspiels gar nicht wirklich gebraucht. Eine schöne Hommage an Land und Meer.

Foie Gras De Canard De Bouayé - Entenleber Terrine, Quitten Variation
Als der nun folgende Teller vor mir platziert wird, denke ich als erstes: sieht aufgeräumt aus. Die Leber, etwas Salz, Pfeffer, eine Marmelade, ein Schäumchen, und, ich glaube, geriebene Haselnuss. So aufgeräumt wie es aussieht, schmeckt es auch. Die Fettleber ist zweifellos von guter Qualität, jedoch erinnert mich dieses Gericht zu sehr an einen Setzkasten. Es hat einen gewissen Charme, sich selber seine Gabeln zusammenzustellen. Aber insgesamt herrschst trotz der vorhandenen Möglichkeiten zur Abwechslung eine in meinen Augen doch beinahe übertriebene Simplizität. Schlussendlich isst man ein Stück Foie Gras mit etwas Salz, Pfeffer, Marmelade, einem Schäumchen und Nuss. Die Idee hat was, bei der Umsetzung hapert es aber ein bisschen. Hätte man die einzelnen Stücke dieses Setzkastens bereits in der Küche zusammengebracht, würde dies dem Wohlgeschmack meiner Meinung nach zuträglicher sein.

Sole Petit Bateau Et Coquillages - Pochierte Seezungenroulade, Normannische Sauce und Muscheln
Ich rieche Meer. Dieser Duft nach Fisch, Muscheln, Salz in der Luft, ist einfach unbeschreiblich. Schon bevor ich den Teller überhaupt zu Gesicht bekomme, macht sich in mir ein Gefühl von Zufriedenheit breit. Wie schön dieses Gericht auch noch aussieht. Meine Vorfreude auf den ersten Bissen steigt nochmals merklich. Es gibt kaum einen schöneren Moment, als wenn diese Vorfreude bestätigt wird und sich in pure Wonne verwandelt. Perfekt gegarte Seezunge, mit leichtem Biss. Zusammen mit der opulenten, aber nie schweren Sauce Normande, die ausgezeichnet abgeschmeckt ist, ein Geschmackserlebnis oberster Güteklasse. Vervollkommnet wird dieses ohnehin schon sehr gelungene Gericht durch einige ausgelöste Muscheln. Die Mollusken verstärken den Meergeschmack und runden damit diesen ausgezeichneten Teller ab. Wundervoll.

Sonntagabend bei meiner Grossmutter
Vor dem Hauptgang wird ein kleines Intermezzo serviert, das es in sich hat. Aus einem Tomme Fleurette (ein Rohmilchweichkäse aus dem Kanton Waadt) stellt die Küche eine sehr würzige, beinahe schon deftige Suppe her. Dazu gesellen sich ein Eigelb sowie einige Kräuter. An diesem kalten Wintermittag ein schlichtweg genialer Einschub, der den Magen wärmt, und mit betörendem Käseduft die Sinne erfreut. Wie schon beim Kartoffelsalat zeigt Laurent Eperon seine Verbundenheit zur einfachen Küche, verfrachtet diese jedoch absolut überzeugend in ein Fine Dining Konzept. Sehr gelungen.

Chevreuil D'Autriche - Gebratener Rehrücken, Grand-Veneur Sauce, Klassische Beilagen
Wo kommt denn bloss dieser Kaffeeduft her? Ich schaue mich um, sehe aber keinen meiner Tischnachbarn bei Kaffee oder Espresso sitzen. Nein, dieser unverkennbare Duft kommt eindeutig von der Sauce auf meinem Teller. Die Grand Veneur Sauce wurde nämlich mit Kaffee aromatisiert. Im ersten Moment scheint dies mit Begleitern wie beispielsweise den Preiselbeeren eine sich arg schneidende Kombination zu sein. Aber siehe da, die Sauce passt wunderbar. Auch nach der zehnten Gabel, bin ich darüber immer noch etwas verwundert, muss ich gestehen. Das ausgezeichnete Fleisch entwickelt zusammen mit der Sauce eine beeindruckende Tiefe und entführt mich dabei in, ich bin fast geneigt zu sagen, exotische Geschmackswelten. Dass auch die weiteren Elemente wunderbar mit dieser ungewöhnlichen Sauce können, tut sein übriges um mir einen tollen Hauptgang zu bescheren. Chapeau.

Mandarine
Den Start in den süssen Teil des heutigen Lunchs macht das simpel betitelte "Mandarine". Ich mag Gerichte sehr gerne, die sich komplett auf ein Produkt fokussieren. Dabei können hochinteressante und bisweilen auch sehr überraschende Esserlebnisse entstehen. Interssant ist dieses Dessert allemal, jedoch funktioniert es geschmacklich leider nur bedingt. Auf der positiven Seite ist die fruchtige Frische zu erwähnen. Diese wird jedoch immer wieder von der bitteren Schale geschnitten, die hier eine etwas zu grosszügige Verwendung gefunden hat. Es ergeben sich einige durchaus schmackhafte Bissen, insgesamt jedoch nimmt das Bittere zu oft überhand.

Citron Jaune - Mousse aus Sauerrahm und gelben Zitronen, Zitronen Sablé Breton
Das abschliessende Dessert führt die frische Linie des Pré-Desserts fort. In diesem Fall wurde den potenziell bitteren Komponenten jedoch wohl mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was sich am viel harmonischeren Geschmacksbild zeigt. Die Säure der Zitrone, und auch die mildere Säure des Sauerrahms, sind präsent, ohne einen vergessen zu lassen, dass es sich um ein Dessert handelt. Das Zusammenspiel mit den süssen Elementen funktioniert vorbildlich, und sorgt für ein anregend frisches Dessert, dem es an nichts fehlt. Das Sablé Breton unterstützt die Süsse zusätzlich und steuert etwas willkommene Textur bei. Sehr schön.

Petits Fours
Dei Petits Fours überzeugen auf ganzer Linie. Vor allem das Pistazien-Macaron sowie das Fruchtgelée machen mit ihren delikaten Aromen richtig Spass. Ein gelungener Abschluss.

Laurent Eperons Küche hat mich positiv überrascht. Seine Gerichte vereinen Tradition mit (gemässigter) Moderne. Die Mischung aus Bodenständigkeit (Kartoffelsalat, Käsesuppe) und klassischen Luxusprodukten (Seezunge, Trüffel) gelingt im Au Pavillon ausgezeichnet. Mit dieser Art Küche steht Eperon in meiner Heimatstadt allein auf weiter Flur. Neben der hohen Küchenqualität ein zusätzlicher Grund in Zukunft regelmässig hier einzukehren. Denn bereits Euripides wusste ja bekanntlich: Abwechslung stärkt den Appetit. À bientôt Au Pavillon.


Au Pavillon
Talstrasse 1
8001 Zürich
+41 44 220 50 22
Website